Forschungsprojekt H-Bahn |
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Die Ausgangssituation Ende der sechziger Jahre setzte sich in zahlreichen urbanen Ballungsgebieten, nicht nur in Europa, die Erkenntnis durch, dass eine "autogerechte Stadt" nicht machbar ist, wenn man die Substanz und die urbane Lebensform der Städte aufrechterhalten will und nicht noch weiter zerstören lässt. Negative Erfahrungen, die man beispielsweise in nordamerikanischen oder europäischen städtischen Ballungsräumen machte, belehrten auch eifrige Verfechter dieser Idee eines besseren. Im Gegensatz hierzu sollten durch den Ausbau von Fußgängerzonen den vielfach verödeten Innenstädten neue Impulse gegeben werden, um dort wieder urbanes Leben zu entwickeln. |
Die
ersten Realisierungen im Personenverkehr eingesetzter neuartiger Systeme
fanden in den USA Ende der sechziger Jahre auf Großflughäfen
z.B. in Tampa, in Seattle und in Dallas/Fort Worth statt. Dort waren es
vollautomatisch betriebene Kabinenbahnen unterschiedlicher Konzeption,
welche den Zubringerbetrieb zur Abfertigung der Passagiere und deren Transport
über das vielfach weiträumige Areal der Airports übernahmen.
Später wurde in Morgantown/West Virginia auch ein Kabinenbahnnetz
erstellt, welches als Verbinder von drei weit auseinanderliegenden Universitätsstandorten
im Stadtgebiet diente. Auch in Japan und in Frankreich entstanden damals
Erprobungsanlagen automatischer Systeme mit unterschiedlichsten Technologien. |
In
der Bundesrepublik wurde wenig später mit den ersten Entwicklungen
vollautomatischer Kabinenbahnen begonnen, im Schatten der ersten Ölkrise
und unter dem Eindruck der ständig steigenden Überfüllung
des städtischen Straßenraumes durch die wachsende Mobilität
der Bevölkerung, nicht zuletzt auch zwangsweise durch die Verlagerung
der Wohngebiete und Einkaufsmöglichkeiten an die Peripherie und in
die ländliche Umgebung bedingt. Deren Folge war zum Beispiel eine
Verdoppelung der Verkehrsleistung zwischen 1960 und 1972 von 238 Milliarden
auf 546 Milliarden Personenkilometer bei stagnierenden Benutzerzahlen
im ÖPNV und damit ständig steigenden Defiziten zur Deckung derer
Kosten. |
Forschungsprojekt H-Bahn |
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Die H-Bahn von SIEMENS-DUEWAG Die in der Bundesrepublik konzipierten Systeme hatten folgende Hauptmerkmale: Neuartige Fahrwege auf eigener, vom Straßenverkehr unabhängiger Trasse Fahrzeuge unterschiedlicher Größe mit neuentwickelten Antriebstechnologien und ebensolchen Spurführungstechniken |
Forschungsprojekt H-Bahn |
Die
H-Bahn ist ein Hängebahnsystem welches einen nach oben und nach den
Seiten geschlossenen Fahrbahnträger besitzt, in welchem die Fahrwerke
der Kabinen witterungsgeschützt und umweltfreundlich leise laufen
und an dem die Kabinen aufgehängt sind. Das ursprüngliche Konzept
sah für unterschiedliche Einsatzfälle Kabinen für 16 bis
42 Fahrgaste vor. Die kleineren Fahrzeuge sollten eine Art Sammeltaxibetrieb
in einem dichten Fahrbahnnetz mit Ruf- oder Linienbetrieb ermöglichen.
Hierfür sind aber im städtischen Einsatz nur relativ dichte
Fahrbahnnetze sinnvoll, die kaum in einer Stadtlandschaft unterzubringen
und zu akzeptieren sind. Die für einen solchen Betrieb durchgeführten
Simulationen am Computer bewiesen zwar die technische Möglichkeit einer solchen Betriebsführung, wegen der erwähnten Erfordernisse und zu erwartender Probleme sowie nach Wirtschaftlichkeitsrechnungen wurde jedoch diese Betriebsform nicht weiter verfolgt. Einem Linienverkehr mit Fahrzeugen für etwa 40 Personen bei Taktbetrieb im Tagesverkehr mit problemloser Verdichtung auf Minutenabstand in den Spitzenzeiten und mit Rufbetrieb in den Schwachlastzeiten wurde schließlich der Vorzug gegeben. |
Forschungsprojekt H-Bahn |
Die
mit Computersimulationen begonnene Entwicklung wurde mit Hardwareversuchen,
vorzugsweise mit dem ursprünglich vorgesehenen Linearmotorantrieb,
fortgesetzt. 1974 konnten bereits 100 Meter Fahrbahn mit einer Kabine
in Originalausführung dem damaligen Bundesminister für Forschung
und Entwicklung Matthöfer in Düsseldorf präsentiert werden,
dessen Ministerium diese Entwicklung mit erheblichen Mitteln förderte. |
Forschungsprojekt H-Bahn |
Im Sommer 1977 folgte der Forschungsminister
einer weiteren Einladung zur H-Bahn, wo ihm auf dem Gelände des
Forschungszentrums der Siemens AG eine 1,4 Kilometer lange Versuchsstrecke
mit zwei vollständig eingerichteten Haltepunkten und einer Wartungshalle
sowie der vollautomatische, von der Leitzentrale geführte und überwachte
Betrieb vorerst von einer Großkabine für 40 Fahrgaste im
praktischen Betrieb mit Fahrgästen vorgeführt wurde. Nach
dem Endausbau im September würden 5 weitere kleinere Kabinen für
jeweils 16 |
Forschungsprojekt H-Bahn |
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Das Vorhaben H-Bahn Referenzstrecke in Erlangen Nachdem die praktische Realisierung des Systems im Forschungszentrum der Siemens AG demonstriert werden konnte, bewarb sich die Stadt Erlangen um die Ausarbeitung einer Durchführbarkeitsstudie, welche die Übernahme des gesamten ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) in der Stadtregion durch die H-Bahn und durch Zubringerbusse zum Ziel haben sollte. An dieser Studie arbeiteten unter der Projektleitung des Planungsreferates der Stadt folgende neutrale Stellen mit: SNV Studiengesellschaft Nahverkehr, Hamburg Dorsch Consult, Wiesbaden und München VAG Nürnberg Stadtwerke AG Erlangen |
Forschungsprojekt H-Bahn |
Die
Projektgruppe H-Bahn der Siemens AG unterstützte deren Aktivitäten
mit der Systembeschreibung, Mitarbeit bei der Netzfindung, Dimensionierung
und Entwurf der Stationen, Ermittlung der Kosten für Investition
und Betriebsführung und Ermittlung des Aufwandes für Energieversorgung
und anderer zentraler Einrichtungen (Wartungsanlagen usw.). Die Untersuchungen werden an einem >Maximalnetz< durchgeführt, welches 30,4 Strecken-km und 75 Stationseinheiten enthielt und 106 Fahrzeuge im Einsatz haben sollte. Es wurde für 83900 Beforderungsfälle pro Werktag dimensioniert. (Verkehrsaufkommen 1974 in Erlangen 65000 Beförderungsfalle). Zubringerbusse sollten das Liniennetz der H-Bahn ergänzen. |
Forschungsprojekt H-Bahn |
Auf
dieser Basis wurde prognostiziert, dass hochgerechnet auf das Jahr 1995
die Gesamtkosten pro Beförderungsfall ( Bei 80 % Förderung der
stat. Anlagen 6% Zins für 20% der stationären Anlagen und der
Fahrzeuge sowie Rücklagen für Erneuerung zum Ersterstellungspreis)
im Vergleich zum reinen Busbetrieb für die H-Bahn mit Zubringerbus DM 1,42 pro Beforderungsfall und für den reinen Busbetrieb DM 1,66 pro Beförderungsfall betragen werden. |
Forschungsprojekt H-Bahn |
Den
jeweils ermittelten Einzelkosten werden Wirksamkeiten
zugeordnet, da nicht in allen Teilgebieten eine reine >Monetarisierung< aussagekräftig ist. ( Teilziele z.B.: Schnelligkeit, Erreichbarkeit, Beförderungskomfort, Sicherheit, Akzeptanz der hochgelegenen Fahrbahn). Bei den meisten Teilzielen schnitt die H-Bahn gegenüber dem Bus in der Bewertung besser ab. Weil dieses Maximalnetz nur eine Zukunftsversion sein konnte, wurde schließlich eine Referenzstrecke ausgewählt, welche die Verkehrsbeziehung Büchenbach - Talüberquerung - Siemens-Verwaltung - Stadtosten (Berufsschulzentrum) umfasste. Das Battelle-Institut führte außerdem mit Unterstützung der Verkehrsplaner im Rathaus, der VAG und der Siemens AG eine Bürgerbefragung durch, wobei zur Unterstützung eines vorgelegten Fragenkataloges 3 verschiedene Trassenvarianten, Funktionsmodelle und Fotomontagen gezeigt wurden. Außerdem war vor dem Rathaus eine komplette Fahrgastkabine für 40 Personen aufgestellt, allerdings nicht an einer hochgelegenen Fahrbahn aufgehängt, sondern zu ebener Erde zugänglich. |
Forschungsprojekt |
Zur
weiteren Information einer breiten Öffentlichkeit wurden auf der
Probestrecke im Forschungszentrum der Siemens AG anlässlich von 3
>Tagen der offenen Tür< im Oktober / November 1978 etwa 4500
Besucher aus der Erlanger Bev6lkerung mit der H-Bahn praktisch vertraut
gemacht. Etwa 80 % der Besucher beurteilten dabei in Beantwortung einer
schriftlichen Umfrage die H-Bahn wegen der geringen Umweltbelastung, der
häufigen Fahrtenfolge, des angenehmeren Fahrgefühls und der
Schnelligkeit der Verbindung positiv für eine zukünftige Verkehrslösung
in den Städten. Der ganze Querschnitt der Besucher, auch Kinder und
Greise, benutzten das System problemlos und ohne Angstgefühl. Das
Interesse, die H-Bahn kennenzulernen war so groß, dass die Eintrittskarten
zu allen 3 Veranstaltungen nach kurzer Zeit vergriffen waren. |
Forschungsprojekt |
Der
Bau einer Referenzstrecke mußte nun mittels einer baldigen Abstimmung
über ihre Realisierung durch den Stadtrat legalisiert oder abgelehnt
werden. Im Vorfeld dieser Abstimmung entwickelten sich daraufhin teils heftige und kontroverse Diskussionen in Bürgerversammlungen, Bürgerinitiativen, in den politischen Gremien und beim Bund Naturschutz, wobei seltsamerweise vor allem Letzterer sich in der hiesigen Presse als Gegner artikulierte, mit den erheblichen Investitionen eines Endausbaus drohte, obwohl dieser gar nicht zur Diskussion stand, keine Minderung der Abgas- und Lärmbelästigung versprach, Bedenken bezüglich des zu erwartenden Einblickes in die Privatsphäre durch die Hochbahn schürte und Ängste bezüglich des fahrerlosen Betriebes der Fahrzeuge prophezeite. |
Forschungsprojekt H-Bahn 1977 |
Auch
die politischen Gremien waren sich uneins. Die CSU als Vertreter eines
notwendigen Ausbaus des Kosbacher Dammes befürchtete beispielsweise
durch eine taltüberquerende H-Bahn das endgültige >Aus<
für dieses Vorhaben, während auch bei der SPD kritische Stimmen
laut wurden und nur die FDP voll hinter dem Vorhaben stand. In dieser aufgeheizten Atmosphäre fand schließlich am 16.11.1978 vor mehreren hundert Zuhörern im Rathaus die entscheidende Sitzung über den Bau einer 7,5 km langen Referenzstrecke statt. Nach mehr als fünfstündiger Debatte in welcher nach der Erläuterung des Vorhabens durch den für die Verkehrsplanung zuständigen Stadtrat Böhlk und einem positiven Votum durch Oberbürgermeister Hahlweg (SPD) die Stellungnahmen der Fraktionen diskutiert wurden, erfolgte schließlich die Abstimmung. |
Forschungsprojekt H-Bahn |
Von
den 24 anwesenden SPD-Stadträten stimmten 14
für das Projekt; von den 21 CSU-Stadträten dagegen nur 6.
Geschlossen stimmte die 3 Mann starke Fraktion der FDP-CWU dafür,
der Stadtrat der Grünen Liste war dagegen. Damit war die H-Bahn mit
3 Stimmen Mehrheit quer durch die Fraktionen abgelehnt. Die Gegner hatten vor allem die zu erwartenden hohen Kosten und Folgekosten sowie die zu erwartende Beeinträchtigung des Stadtbildes beanstandet. Die Befürworter dagegen vertraten die Meinung, dass ein kreuzungsfreies System auf eigener Ebene besser als ein stark erweitertes, nicht zu bezahlendes Busnetz die Erlanger Verkehrsprobleme lösen könnte. |
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Wie ging es mit der H-Bahn weiter ? H-Bahn Dortmund Ein Jahr später entschied sich die Universität Dortmund für die verkehrliche Verbindung zweier, etwa 1 km auseinanderliegender Uni-Standorte, statt der bisherigen Nutzung umständlicher Wege über Gemeindestraßen, eine H-Bahn Anlage zu erstellen, die damit erste Referenzanlage für deren Einsatz im öffentlichen Betrieb wurde. Hier lag die Entscheidungsebene bei der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, die positiv reagierte, nicht zuletzt weil sie mit der H-Bahn mehrere Probleme lösen konnte: |
H-Bahn in Dortmund |
Sie verbindet die beiden Hochschulzentren so miteinander, dass die gemeinsame
Nutzung zentraler Einrichtungen wie Rechenzentrum, Labors, Bibliothek
oder Mensa möglich wird. Die attraktive und direkte Verbindung ersparte der Landesregierung ursprünglich geplante Neubauten und verringert wesentlich den vorher notwendigen starken Pendelverkehr durch ein enges vorstädtisches Altbaugebiet. Die Verbindung ist umweltfreundlich. Ihr Verkehrsweg überquert ohne Schädigung für den Landschaftsschutz angelegte Wald- und Teichanlagen. Die Anlage war von vornherein nach dem Personen-Beförderungsgesetz (PBeFG) und der Bau- und Betriebsordnung für Straßenbahnen (BOStrab) für den ÖPNV zugelassen. Bereits in den ersten 9 Betriebsjahren beforderte sie mehr als 5 Millionen Fahrgäste mit personalloser Abfertigung in den Haltestellen und mit Einmann- Überwachung und Steuerung von der Leitzentrale aus. |
Im
Jahre 1993 wurde die inzwischen einserseits in ein Wohngebiet hinein und
andererseits zur S-Bahn erweiterte H-Bahn mit 3 neuen Fahrzeugen und jetzt
4 Haltestellen als Zubringer zum S-Bahn-Haltepunkt Dortmund- Universität
in Betrieb genommen. Die Finanzierung erfolgte erstmals mit Mitteln des
Gemeinde- Verkehrswege-Finanzierungsgesetzes (GVFG). Für eine weitere, 1230 m lange Verlängerung zu einem Technologiezentrum erfolgte die Inbetriebnahme im Dezember 2003. Damit steigt die Anzahl der beforderten Passagiere, die bisher etwa 1,3 Mio pro Jahr betrug nochmals an. Inzwischen ist die Bahn auch in den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr integriert und wird von den Stadtwerken Dortmund als Muttergesellschaft betrieben. |
SkyTrain Flughafen Düsseldorf Seit 2002 ist eine weitere H-Bahn Anlage,
ein sogenannter "SkyTrain", als |
SkyTrain Flughafen Düsseldorf |
SkyTrain Flughafen Düsseldorf |
SkyTrain Flughafen Düsseldorf |
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